23 Februar 2025
Die Schlacht im Rafzerfeld |
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Schaffhauser Nachrichten vom 23.
Februar 2025
Carsten Priebe beleuchtet mit seinem neuesten Buch die Schlacht vom
Rafzerfeld von 1525. Bilder: Alexander Joho Vor 500 Jahren endete der
Deutsche Bauernkrieg mit einer letzten Schlacht " im Rafzerfeld. Der
Rafzer Publizist Carsten Priebe hat zum Gedenken an das historische
Ereignis ein Buch geschrieben.
Wenige Meter neben dem Freibad Rafzerfeld zeigt Carsten Priebe auf
die offene Landschaft. "Irgendwo hier muss es geschehen sein." Vor
500 Jahren, am 4. November 1525, fand der Deutsche Bauernkrieg in der
Ebene zwischen Rafz und Wil, nördlich des Landbachs, sein Ende:
500 Ritter und 1000 Landknechte der Habsburger, angeführt von
Ritter und Hauptmann Christoph Fuchs von Fuchsberg, brachten hier, formal
damals bereits Schweizer Gebiet, in einer Schlacht 200 von 800 Klettgauer
Bauern, Teile eines Stühlinger "Haufens", um, dessen Einflussgebiet
für kurze Zeit bis an den Untersee reichte; am selben Tag wurden 300
weitere Flüchtende im nahen Griessen, nach dem Verstecken hinter
den Friedhofsmauern, erschlagen. Es war die letzte grosse Schlacht auf
Schweizer Boden ohne Feuerwaffen, wie Priebe ausführt.
Der Weg in die Eidgenossenschaft war durch 500 Zürcher Soldaten
bei der Eglisauer Brücke verwehrt. Zum Zeitpunkt der Schlacht
müsse den Bauern schon klar gewesen, dass sie auf verlorenem Posten
stünden, so Priebe; spätestens seit der erfolglosen Belagerung
der Habsburgischen Küssaburg durch den Klettgauer Haufen.
Insgesamt 70'000 bis 75'000 Tote Aufstände gegen die Obrigkeit,
Klerus wie Hochadel, waren im südwestdeutschen und Deutschschweizer
Raum ab dem Ende des 15. Jahrhunderts ein ständiges Thema. Der
niedere Adel litt ebenso, was das Raubrittertum beflügelte. Der
Bauernkrieg sollte auch das Ende von Burgen und Klöstern bedeuten,
die " wie das Kloster St. Blasien im Südschwarzwald oder die Kartause
Ittingen " zu Hunderten zerstört und im Anschluss häufig durch
Schlösser ersetzt wurden.
Die Auswirkungen des Deutschen Bauernkriegs, der eben auch in den
Norden der Schweiz überschwappte, waren fatal, hauptsächlich
für die Bauern selber: Die Niederlage mit geschätzt 70'000 bis
75'000 Toten insgesamt entzog vielen Höfen die Lebensgrundlage,
da Arbeitskräfte fehlten; ssberlebende wurden aufs ssbelste
gefoltert, bis hin zu Verstümmelungen und Verbrennungen für
Rädelsführer; im Falle der Rafzer Schlacht wurden die
Abtrünnigen in die Küssaburg gebracht. Der Adel und die
Geistlichkeit führten hohe Abgaben ein, in vielen Gebieten, wie dem
sulzischen Klettgau, wurde der Bevölkerung der katholische Glaube
wieder auferzwungen, reformierte Pfarrer wurden geblendet.
"Es gab schwere ssbergriffe der Bauern, so am Ostersonntag 1525 auf
den Grafen Ludwig von Helfenstein, der durch die Gassen von Weinsberg
getrieben und erschlagen wurde."
Carsten Priebe, Autor "1525 " Die Schlacht im Rafzerfeld" Die
Vorgänge von damals waren mitunter von der Reformation beeinflusst,
und umgekehrt. "Es gab schwere ssbergriffe der Bauern, so am Ostersonntag
1525 auf den Grafen Ludwig von Helfenstein, der durch die Gassen
von Weinsberg getrieben und erschlagen wurde. Das veranlasste Martin
Luther, der zunächst Sympathien hegte, die Taten der Bauern aufs
Schärfste zu verurteilen", erklärt Priebe.
Der Einfluss des Thüringer Reformatoren Thomas Müntzer, eines
Kollegen Luthers, im südwestlichen Bauernkrieg wird bis heute
kontrovers diskutiert: War er zusammen mit dem bayrischen Täufer
Balthasar Hubmaier ein direkter "Anstachler" der Klettgauer Bauern, oder
nicht? In Priebes Buch jedenfalls spielt Müntzer eine untergeordnete
Rolle, ebenso wie der Klettgauer Bauernführer Hans Müller
von Bulgenbach.
Kaum historische Quellen vorhanden "Zum Jubiläum bietet sich ein
Buch an, um das Thema gründlicher aufzuarbeiten", sagt Priebe. "Eine
streng lokale Geschichte" sei die Schlacht von 1525, aber eine, die
über die Region bekannter gemacht werden sollte; einzig in Freiburg
im Breisgau finde sich ein Diorama zum Schlachtfeld.
"Zur Schlacht selber gibt es kaum historische Quellen, einzig
sporadische Hinweise in Chroniken", erzählt Priebe. Auch die
Zürcher Kantonsarchäologie kann auf Anfrage der SN keine
Angaben zum genauen Schlachtort oder zu allfälligen Gräbern
oder Fundmaterial in der Landwirtschaftsfläche machen; es habe
bislang keine Grabungen gegeben und es seien auch keine Grabungen geplant.
Detektivarbeit sei es gewesen, die Lücken zur Schlacht und deren
Ablauf zu füllen, wie zum Beispiel zur Flucht durch die anliegenden
Wälder über Bühl in Richtung Griessen. "Die Kämpfe
müssen im frühen Morgengrauen begonnen und rund zwei Stunden
gedauert haben. Nach der mehrstündigen Flucht müssten die
letzten ssberlebenden noch am selben Tag auf die Küssaburg gebracht
worden sein."
Das Rafzerfeld als "Blackbox" Natürlich sei das Ganze auch aus
heutiger Sicht "schockierend", was den Bauern unter der Führung
des Griessner Hauptmanns Klaus Wagner, dem die Finger an der rechten
Hand abgehackt und die Augen ausgestochen wurden, widerfahren sei,
fügt Priebe an.
"Der Einfluss der Stadt Zürich ist nach der Schlacht stark
gestiegen. Im Klettgau haben sich die Grenzziehungen verfestigt und in
Schleitheim kristallisierte sich die Täuferbewegung heraus."
Carsten Priebe, Autor "1525 " Die Schlacht im Rafzerfeld" ï
Das damals Geschehene habe sich unter dem Strich für den
deutschen Adel jedoch gelohnt, denn dieser sei bis 1918 in keiner
Weise mehr herausgefordert worden. Im Rafzerfeld, einst eine Art
"Blackbox" (Priebe), was Gebietsansprüche anbelangte, machte sich
ab 1526 die Eidgenossenschaft, die über Zürich lange nur die
niedere Gerichtsbarkeit innehatte, mehr und mehr bemerkbar. Priebe: "Der
Einfluss der Stadt Zürich ist nach der Schlacht stark gestiegen. Im
Klettgau haben sich die Grenzziehungen verfestigt und in Schleitheim
kristallisierte sich die Täuferbewegung heraus." Es sollte noch mehr
als 120 weitere Jahre dauern, ehe die Grafen von Sulz aus finanziellen
Gründen alle Rechte im Rafzerfeld an Zürich abtreten mussten.
Das Thema biete sich auch noch für einen historischen Roman, der
die Stimmung von vor 500 Jahren besser wiedergebe, an, sagt Priebe,
"den möchte ich noch in Angriff nehmen, als Ergänzung zum
Geschichtsbuch".