Blick of May 15 2014
BlickK:
Es läuft ein Graben durch Schaffhausen. Er entzweit Parteien,
Vereine, sogar Familien. Und er wird tiefer: Die gegnerischen Lager
tauschen immer mehr Gehässigkeiten, Kraftausdrücke und
Anschuldigungen aus.
Es steht ja auch viel auf dem Spiel: Die einen bangen um die
energiepolitische Zukunft der Region. Die anderen fürchten, dass
der Rheinfall schon bald zu einem mageren Rinnsal verkümmert, dass
Auenlandschaften versinken und dass es dereinst keine Laichgründe
für die seltene Äsche mehr gibt. Atomausstieg oder
Landschaftsschutz?
Hintergrund des Konflikts ist eine Änderung des
Wasserwirtschaftsgesetzes, über die die Schaffhauser dieses
Wochenende abstimmen. Die Kantonsregierung will durch eine stärkere
Nutzung der Wasserkraft zur Energiewende beitragen und den Ausstieg
aus der Atomenergie ermöglichen. Dafür will sie den Rhein
höher stauen - "moderat und ökologisch tragbar", wie die
Regierung beteuert.
Auch beim Rheinfall sieht die Regierung erhebliches Potenzial: Indem
oberhalb des Naturschauspiels Wasser abgezweigt und in ein Kraftwerk
geleitet würde, könnte die Fallhöhe von 23 Metern zur
Stromerzeugung genutzt werden. Diese Pläne sind allerdings nicht
teil der Vorlage. Auch der Kanton Zürich müsste hier noch
grünes Licht erteilen. Grüne sind sich nicht mehr grün
Nachdem die Revision des Wasserwirtschaftsgesetz praktisch
geräuschlos durchs Parlament flutschte, ist nun ein heisser
Kampf entbrannt. Die Konfliktlinien verlaufen dabei nicht entlang
des üblichen links-rechts Schemas: Linke bekämpfen Linke,
Grüne sind sich nicht mehr grün.
Zum Nein-Lager zählt unter anderem SP-Nationalrätin Martina
Munz. Sie sorgt sich um den Rheinfall, das Wahrzeichen der Region: "Wollen
wir die Energiewende damit beginnen, dass wir unsere Naturdenkmäler
beschädigen?" fragt Munz. Klüger wäre es, stromfressende
Geräte zu verbieten. "Indem wir die Elektroheizungen im Kanton
Schaffhausen abstellen, sparen wir mehr als die Hälfte des
Stroms, den Schaffhausen aus dem neuen Rheinfallkraftwerk beziehen
könnte." Auch andere politische Schwergewichte, etwa der ehemalige
SP-Parteichef Hans-Jürg Fehr und SVP-Nationalrat Thomas Hurter
lehnen die Vorlage ab. Gibt es ein Denkverbot?
Für diese Haltung hat die Kantonsregierung wiederum kein
Verständnis. Es herrsche ein "Denkverbot" bezüglich
Wasserkraftnutzung, beklagt sie sich. Ein Ja zur Vorlage sei kein
Freipass für den Höherstau des Rheins oder ein neues Kraftwerk
am Rheinfall. Das Volk stimme lediglich darüber ab, ob "Nachdenken
über eine verstärkte Wasserkraftnutzung erlaubt ist".
"Nachdenken ist natürlich erlaubt", sagt Munz. "Nicht akzeptabel
ist aber, dass das Volk ein Gesetz abnicken soll, ohne zu wissen, was
später realisiert wird."