11 Juli 2024
Ploetzlich war die Firma zu gross in Uhwiesen |
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Schaffhauser Nachrichten vom 10. Juli 2024
Was passiert, wenn eine Gemeinde den grössten Arbeitgeber, der auch
ein wichtiger Steuerzahler ist, verliert? In Uhwiesen schmerzt der Abgang
der Brütsch Elektronik AG noch heute - wie auch ein Landverkauf,
den gewisse Einwohner lieber rückgängig gemacht hätten.
Die Geschichte der Brütsch Elektronik AG ist eine eng mit
Laufen-Uhwiesen verknüpfte Erfolgsgeschichte. "Wir waren ein
guter Steuerzahler, der grösste Arbeitgeber in der Gemeinde, ein
unproblematischer Betrieb", sagt Oliver Brütsch, nach Jahren im
Ausland wieder in Uhwiesen wohnhaft.
Die Brütsch Elektronik AG hingegen ist seit drei Jahren aus Uhwiesen
verschwunden. Oliver Brütsch: "Als Uhwieser tut mir der Abschied der
Firma weh. Hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich den grössten
Teil meiner Schulzeit verbracht. Als Geschäftsführer
und Miteigentümer war es betrieblich eindeutig der richtige
Entscheid. Wir hätten uns in Uhwiesen niemals so entwickeln
können, wie in Beringen."
Das 50-Jahr-Jubiläum der Firma 2021 wurde dort, am neuen Standort
mit Platz für bis zu 200 Mitarbeitende, gefeiert. Bitter für
Uhwiesen - aus Sicht der Elektronikfirma war der Umzug in den Klettgau
jedoch unumgänglich. Irgendwann wurde es der Brütsch Elektronik
im Ausseramt zu eng, die Jubiläumsbroschüre spricht von
"prekären Platzverhältnissen" für die damals 120
Mitarbeitenden. Der Deal zum "Vorzugspreis"
1971 fing René Brütsch an der Schaffhauser Pfarrhausgasse
mit vier Ingenieuren an, dann gings nach Feurthalen, als Mieter bei der
damaligen Sinar AG, acht Jahre später verlegte man den Hauptsitz
nach Uhwiesen, an die Nüsatzstrasse. Der Betrieb beschäftigte
dannzumal bereits zwölf Mitarbeiter.
Nach einem Wechsel in der Geschäftsleitung 1993 zügelte der
Betrieb 1998 ein erstes Mal innerhalb der Gemeinde - an derselben Strasse,
rund hundert Meter weiter weg, an die Kreuzung mit dem Ramsauerweg;
dort, wo heute ein anderes Technikunternehmen ansässig ist. Zu
jenem Zeitpunkt zählte die Firma bereits 41 Mitarbeitende.
2015 verkaufte die Gemeinde, mit Zustimmung an der Gemeindeversammlung
vom 19.#November, der Brütsch Immobilien AG ein schräg
gegenüberliegendes, knapp 1900 Quadratmeter grosses Grundstück
zu einem "Vorzugspreis" von 400 Franken pro Quadratmeter, mit dem Ziel,
die prosperierende Elektronikfirma in Uhwiesen zu halten.
Unter einer Bedingung: Die Brütsch Elektronik AG müsste die
Parzelle innert zehn Jahren ab Eigentumsübertrag, den 16.#März
2016, mit einem Produktions- oder Lagergebäude bestücken -
ansonsten dürfte die Gemeinde das Gelände zum selben Preis
zurückkaufen. Sollte ein anderes, nicht firmeneigenes Gebäude
erstellt oder das Grundstück an Dritte verkauft werden, würde
ein Aufpreis von 250 Franken pro Quadratmeter fällig. Plan B mit
Beringer Bauland
Oliver Brütsch führt die Brütsch Elektronik AG nach
dem Tod seines Vaters 2014 nun in zweiter Generation, seit 2020 als
Geschäftsleiter. Er macht eine Machbarkeitsstudie mit mehreren
Varianten für den Standortwechsel geltend. "Auf dem erworbenen
Grundstu#ck in Uhwiesen wäre bei einer strikten Einhaltung
der Bauordnung kein sinnvolles Bauprojekt möglich gewesen." Die
beantragte Abweichung von der Bauordnung, ein zusätzliches, drittes
Baugeschoss, wurde dann abgelehnt.
Bereits ab 2008 habe sich die Firma um einen zusätzlichen Standort
in Uhwiesen bemüht, sagt Oliver Brütsch, und das östliche
Nachbargrundstück zum Gebäude am Ramsauerweg - ein Gebiet,
das damals dem Kanton gehörte -, ins Auge gefasst. "Am liebsten
wäre uns ein direkter Anbau gewesen, auf einer Parzelle von
maximal 2000 Quadratmetern. Wir haben uns über mehrere Runden mit
Kantonsvertretern getroffen, doch der Kanton wollte es dem Meistbietenden
verkaufen, es wurden Preise geboten, die über dem Doppelten
unseres Angebots lagen. Und da können wir als Gewerbebetrieb nicht
mithalten."
Als Plan B hatte die Brütsch Immobilien AG, die seit 1979 existiert,
bereits 2013 in Beringen Bauland erworben, da erste Gespräche
mit Laufen-Uhwiesen gescheitert waren. "Danach hat uns die Gemeinde
das Angebot gemacht." Ohne Landkauf in Uhwiesen wäre man,
so Oliver Brütsch, schon mehrere Jahre früher, um 2017,
nach Beringen umgezogen; so habe Laufen-Uhwiesen zwischen 2018 und
2021 noch von total zwei Millionen Franken Gemeindesteuern der Firma
profitiert. "Rückblickend ist die Gemeinde so besser gefahren",
meint Oliver Brütsch. Dreifache Kritik
An der Rechungsgemeindeversammlung der Politischen Gemeinde
Laufen-Uhwiesen diesen Juni folgten drei Anfragen zum Landverkauf und
dessen Konsequenzen. Auch wenn rechtlich alles korrekt verlaufen,
die Brütsch Immobilien AG ihren finanziellen Verpflichtungen
nachgekommen sei: So etwas dürfe nicht noch einmal vorkommen,
lautete ein Einwand. Man sei durch Baugespanne "hintergangen", die
Gemeinde in die Irre geführt worden, bemängelte ein Ehepaar.
Mit dem weiteren Landverkauf sei die nachhaltige Entwicklung der Gemeinde
empfindlich durchkreuzt worden. Gemeindeland sei zu kostbar, um es
Privaten für "unbedachte Überbauungen" zu überlassen,
für solche "folgenschwere" Baubewilligungen brauche es in Zukunft die
Zustimmung der Gemeindeversammlung. Auch wenn niemand habe voraussehen
können, dass das Bauland dermassen viel teurer werde: "Es ist
störend", so einer der Anfragesteller, "dass Herr Brütsch nun
noch einen relativ grossen Gewinn gemacht hat."
Ein dritter Stimmberechtigter ging in seiner Anfrage noch weiter:
Der ursprüngliche Vertrag zwischen Gemeinde und der Brütsch
Immobilien AG sei einseitig ausgefallen, ein Rückkauf von Anfang
an praktisch ausgeschlossen gewesen. Zweimal, 2019 und 2024, habe
man die Gelegenheit gehabt, eine einseitige Gewinnabschöpfung
zu verhindern. Der Gemeinderat gebe die Verantwortung einfach an die
Gemeinde zurück, der ein Gewinn von rund 600#000 Franken entgehe.
Auch Oliver Brütsch war an der Versammlung anwesend, durfte
sich jedoch nicht äussern: Eine Diskussion war zuvor abgelehnt
worden. Für alle drei Votanten an der Gemeindeversammlung
diesen Juni ist die Angelegenheit mittlerweile abgeschlossen. Was
bleibe, sei das Bedauern darüber, dass die Gemeinde beim
Grundstücksübertrag keine Klausel eingebaut habe, die einen
Weiterverkauf mit Profit unterbinde, erklärt eine Anfragestellerin
gegenüber den SN. "Bülacher" Eigentumswohnungen
Zwei Jahre vor Ablauf der Vereinbarung mit der Gemeinde Laufen-Uhwiesen
wurden auf dem betroffenen Gebiet diesen Frühling Baugespanne
aufgestellt: Das Gelände gehört neuerdings dem
Architekturbüro Oskar Meier AG mit Sitz in Bülach, eine
Baubewilligung für Eigentumswohnungen wurde Anfang April erteilt.
Oliver Brütsch hätte auf dem Stück Land gerne selber
ein Mehrfamilienhaus erstellt; auch habe er das Gebiet einem der
Anfragesteller zum Verkauf angeboten. Aber nicht nur ihm. "Ich
war im Dialog mit der Gemeinde. Aber in der Immobilienfirma gab es
Eigentümerwechsel. Bei einem Landverkauf hätte ich das zum
Marktpreis machen müssen, um meine Partner auszuzahlen. Die Gemeinde
war sich lange unschlüssig, und ich brauchte Planungssicherheit." Nun
gibt es eben doch einen grösseren Wohnbau, einfach aus Bülacher
Hand. "Das ist nicht verkehrt, der Wohnbedarf ist gegeben", sagt Oliver
Brütsch dazu. Petition mit Symbolcharakter
In Teilen der 1800-Seelen-Gemeinde ärgert man sich, beim
Grundstück-Wertzuwachs leer ausgegangen zu sein - und über neue,
teure Eigentumswohnungen, für die keine Abnehmer bestünden. Der
entfallene Mehrertrag wird auf rund 340#000 Franken geschätzt. Die
Enttäuschung ist aufseiten der Bevölkerung jedoch grösser
als beim Gemeinderat: Dieser entgegnet, man verfüge im selben
Quartier "Hofacker" mit knapp zwei Hektaren noch über genügend
Gemeindebauland für eigene, und in der Tendenz kostengünstige
Wohnbauprojekte mit attraktiven Kaufpreisen oder Mieten.
Die Gemeinde hatte zuvor mehrfach Gespräche mit Oliver
Brütsch gesucht, wie Gemeindepräsident Serge Rohrbach an
der Juni-Gemeindeversammlung betonte, wollte das Gebiet vor Ablauf der
10-Jahres-Frist jedoch nicht mehr zurückkaufen, weil sie deutlich
mehr dafür hätte bezahlen müssen, die Rede ist von einem
Kaufpreis von mindestens 1,8 Millionen Franken. Und die Oskar Meier AG
habe "kein Interesse" an einem Landverkauf.
Eine Petition mit Symbolcharakter und 130 Unterschriften verlangte Anfang
Mai einen Rückkauf des Grundstücks durch die Gemeinde zwecks
Bau von bis zu 20 Mietwohnungen, hauptsächlich für (ältere)
Uhwieserinnen und Uhwieser - auch im Sinne des Freimachens von bestehenden
Einfamilienhäusern für Familien mit Kindern.
Von den SN auf die Petition angesprochen, erwähnt der Initiant,
das Versprechen des Gemeindepräsidenten, der Gemeinderat werde
sich nach der nächsten Gemeindeversammlung, im Oktober 2024, mit
dem Thema "Wohnraum im #Hofacker#" befassen, sei positiv. "Der Bedarf
nach einer offenen Überbauung mit Wohnraum für ältere und
jüngere Einwohner bleibt bestehen. Dieses Ziel wird weiterverfolgt,
in einem konstruktiven Einvernehmen mit dem Gemeinderat. Denkbar dazu
ist die Lancierung einer entsprechenden Initiative."