Rund 1,2 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr den Rheinfall. Er
gehört mit 23 Metern Höhe und 150 Metern Breite zu den drei
grössten Wasserfällen Europas. Im Kanton Zürich, wo der
Rheinfall zur Hälfte liegt, gilt er sowieso als der Grösste.
Der Grösste ja, aber nicht der Höchste. Das haben Michel Brunner
(38) und sein Vater Ueli (69) herausgefunden. Rekordhalter ist gemäss
ihrer Messung der freifallende Greiselgubel-Wasserfall mit über 43
Metern Fallhöhe bei Fischenthal im Tösstal.
"Naturwunder interessieren mich seit jeher", sagt Michel Brunner. Der
gelernte Grafiker hat sich einen Namen gemacht als Baumexperte - etwa mit
seinem Buch über Baumriesen. "Die Suche nach Rekorden ist halt so
ein Männerding", sagt Brunner. Auf Wanderungen im Kanton Zürich
seien ihm und seinem Vater immer wieder Wasserfälle aufgefallen,
die nirgends vermerkt waren. "Das weckte unser Interesse."
Die beiden suchten das Geografische Informationssystem des Kantons
Zürich im Internet systematisch nach Wasserfällen ab. "Alleine
dafür benötigen wird rund eineinhalb Jahre", sagt Michel
Brunner. Danach erkundeten sie während fünf Jahren in
unzähligen Wanderungen jedes Tobel und stiessen so auf mehrere
hundert, mindestens mannshohe Wasserfälle. Darunter solche, von
denen selbst die nächsten Anwohner oft nichts wissen.
Mit über 43 Metern Höhe ist der frei fallende Wasserfall im
Greiselgubel-Tobel bei Fischenthal im Tösstal der höchste im
Kanton Zürich...
...er ist wenig bekannt und wer ihn besichtigen will, muss in den letzten
Metern durch einen Bach waten.
Der Wasserfall Reidbachtobel in Wädenswil befindet sich hinter
einer Fabrik - er ist per Fussweg zu erreichen. Seine Höhe ist mit
25 Metern ebenfalls beachtlich. Bild: Michel Brunner 1/13 Fullscreen
Bei der Vermessung begaben sich Vater und Sohn nicht selten in
gefährliche Situationen. "Der eine liess das Seil bei der rutschigen
Felskante des Wasserfalls herunter - der andere zog es dann unten straff
und machte für eine nachträgliche Messung einen Knopf", so
Michel Brunner. Lasermesssungen seien zwar möglich. Nur hätten
die Messgeräte Mühe, die Fallkante des Wasserfalls zu finden,
weshalb es zu ungenauen Höhenangaben komme.
Um die Wasserfälle fotografisch ins beste Licht zu rücken,
lichteten Michel Brunner und sein Vater die Tobel nachts mit einer
aufwändigen Beleuchtungstechnik aus. Ein Inventar der Fälle
mit Bildern findet sich nun in Brunners neuem Buch "Wasserwunder". Vom
Besuch einiger dieser Sturzbäche rät er darin ab, da das
Terrain teils abschüssig und zu gefährlich sei.
Problemlos machbar sind dagegen die 22 Tobelwanderungen, die die Brunners
in ihrem Buch vorstellen. Eine ihrer liebsten führt ins Erlenbacher
Tobel. "Die dort zahlreich aneinander gereihten Wasserfälle sind
unglaublich schön", sagt Michel Brunner. Einfach erreichbar ist auch
der 25 Meter hohe Wasserfall im Reidbachtobel bei Wädenswil. Dieser
liegt hinter einer Fabrik, es gibt sogar einen Weg dorthin.
Doch bei aller Begeisterung für die hohen, aber vergleichsweise
schmalen Wasserfälle - auch der Rheinfall hat es Michel Brunner
angetan: "Die enorme Wassermenge ist natürlich imposant." Was
ihn allerdings stört, ist die touristische Ausschlachtung. "Es
ist für mich generell unverständlich, warum man solche
Naturspektakel mit grobschlächtigen Bauten verunstalten muss."
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