Der etwas in Vergessenheit geratene Schaffhauser Schlauchfabrikant,
Zeichnungslehrer und Kunstmaler Johann Matthias Neithardt kommt wieder
zu Ehren - im Museum zu Allerheiligen und dank Fred Lindenmann, der sich
auf die Spuren seines 1886 verstorbenen Urgrossvaters begab.
von Martin Schweizer
"Biographie eines Kleinmeisters" nennt der in Pfäffikon wohnhafte
Autor Fred Lindenmann seinen Aufsatz. Er hat ihn in Zusammenarbeit mit
dem Schaffhauser Stadtarchiv verfasst, um das Leben seines Urgrossvaters
mütterlicherseits und ehedem bekannten Künstlers Johann Matthias
Neithardt (1816-1886) wieder etwas in Erinnerung zu rufen.
Die mit zahlreichen Farbbildern des Malers angereicherte Broschüre
kommt gerade recht, denn Neithardt ist zufällig auch in der
gegenwärtig laufenden Ausstellung "Vom Munot zum Rheinfall"
vertreten.
Wie der grosse Grünewald
"Nidhardt" war einst ein männ- licher Vorname, "Grünewald",
der grosse deutsche Künstler der Renaissance, hiess, soweit bekannt,
mit vollem Namen Mathis Gothart Nithart Grünewald. Unser Schaffhauser
Matthias Neithardt wohnte in der Schaffhauser Altstadt, im - heute nicht
mehr existenten - Haus "Zum grünen Wald" am Schützengraben,
eine kuriose Ähnlichkeit, doch sein Biograf versichert schon im
Vorwort seiner kleinen Abhandlung, der berühmte Maler habe mit seinem
Urgrossvater nichts zu tun. Interessant ist die Spurensuche trotzdem: Die
in Schaffhausen und vorab in Ramsen bis heute sesshaften Neidharts wurden
bereits im 16. Jahrhundert ins hiesige Bürgerrecht aufgenommen, der
1782 geborene Vater des Malers, Hans Jakob Neithardt, war Bäcker,
hatte sechs Kinder aus erster Ehe und neun aus zweiter Ehe, unter ihnen
gab es gemäss den Nachforschungen von Lindenmann Strumpfstricker,
Maurer und Musikanten.
Lehrer auf Lebenszeit
Sohn Matthias soll bereits mit 17 Jahren exzellente Proben seines
zeichnerischen Talentes geliefert haben. Mit 30 Jahren heiratete er
Margaretha Sprenger von Eglisau. Auf einer extra angefertigten und
beschrifteten Zeichnung outet sich der verliebte Bräutigam: "Das
Auge sieht den Himmel offen/Es schwelgt das Herz in Seligkeit." Doch
der Alltag folgte auf dem Fuss: Vater Sprenger war Schlauchfabrikant,
Schwiegersohn Matthias stieg folgerichtig für kurze Zeit in den
Betrieb ein, ehe er nach einer Lehrtätigkeit in Feldkirch und an
der Realschule Schaffhausen anno 1851 als Zeichnungslehrer ans Gymnasium
gewählt wurde. Den Posten erhielt er auf Lebenszeit - und als
Nachfolger des legendären Lehrers und Künstlers Johann Jakob
Beck, der bekanntlich den Munot vor dem Abbruch bewahrte.
Engagement im Kunstverein
Matthias Neithardt war wie Beck ein hervorragender Zeichner,
beherrschte alle damals üblichen Maltechniken und zählte
zu den "ungewöhnlich begabten" Schweizer Künstlern, die in
der Mitte des 19. Jahrhunderts regelmässig an den sogenannten
"Turnus-Ausstellungen" teilnahmen. Neithardt engagierte sich zudem
im Schaffhauser Kunstverein, der 1848 im "Thiergarten" gegründet
wurde. 33 Männer waren damals dabei, einige von ihnen machten
allerdings gleich wieder einen Rückzieher, als es um die "Erhebung
von Jahresbeiträgen" ging. Sie handelten voreilig, denn die
Zusammenkünfte waren anfänglich offenbar recht munter, man wurde
auch mit einem Schübling verköstigt, und Spassvogel Hans Jakob
Beck pflegte für die Mitglieder jeweils eigens die Messer zu wetzen.
Guter Nebenverdienst
Im Laufe der Jahre legte sich der Kunstverein mit Ankäufen
eine bescheidene Sammlung zu, einige Ölbilder, Kupferstiche,
Lithografien, Zeichnungen. 1879 erwarb der Kunstverein auch ein
Bild seines Vorstandsmitgliedes Neithardt, einen "Rheinfall bei
Morgenbeleuchtung". 800 Franken bekam der Maler dafür, was
laut Lindenmann sechs Monatsgehältern eines Zeichnungslehrers
entsprach. Anscheinend hat Neithardt neben seinem Beruf auch sonst
mit Bilderverkäufen anständig verdient. So konnte er seinen
sieben Kindern eine gute Ausbildung, seinem jüngsten Sohn sogar ein
Medizinstudium ermöglichen. Elf Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau,
am 27. Juli 1886, stirbt Matthias Neithardt, nach kurzer Krankheit und
noch bis zuletzt als Lehrer tätig. Seine Werke befinden sich heute
in Privatbesitz und im Museum zu Allerheiligen, wo mit Hortensia von Roda
die nächste Führung zur aktuellen "Rheinfall"-Ausstellung am
11. Januar stattfindet.
Johann Matthias Neithardt (1816-1886), "Biographie eines Kleinmeisters"
von Fred Lindenmann, 124 Seiten, 18 Franken, erhältlich im
Schaffhauser Stadtarchiv.
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